Eine niederadelige Familie um 1170

 

Unsere Darstellung ist die eines Niederadligen mit Familie, der vom Welfenherzog Heinrich dem Löwen im neugegründeten München zur Verwaltung seiner Besitzungen eingesetzt wurde. Heinrich der Löwe war zu seiner Zeit eine höchst umstrittene Persönlichkeit und mit vielen anderen Adeligen und kirchlichen Würdenträgern verfeindet. Da er zur Verwaltung seiner weit auseinanderliegenden Besitztümer zuverlässige Leute brauchte, setzte er als Verwalter gern Männer ein, die sich in seinen Diensten bewährt hatten, und zwar ohne Ansehen ihres Standes. Hielt die Familie es zwei Generationen auf einem Lehen aus, ohne abgesetzt oder vertrieben zu werden, war die neue Würde erblich. Seine Verwalter hätten sich für ihn in Stücke hauen lassen!

Zur Darstellung selbst:

Einerseits sollte unsere Kleidung repräsentativ sein, andererseits ist München im ausgehenden 12. Jahrhundert nicht gerade eine Modemetropole, sondern etwas provinziell. Süddeutsche Quellen zeigen oft noch eine sehr “romanische” Mode, während in Frankreich und Italien schon die Frühgotik spürbar ist. Weil wir nur eine Familie von “neuadligen Emporkömmlingen” sind, wurde auf kostspieligere Details wie Goldlahn, Gewandapplikationen aus Edelmetall und reinseidene Kleidungsstücke verzichtet.

Stefan:

Stefans Gewand stammt von einem süddeutschen Kirchenfenster um 1180 (vergrößerbares Bild) und wurde in der Farbigkeit und mit den Mustern der Stickereien so genau wie möglich übernommen. Als nächstes werde ich die gestickten Besätze aber abtrennen und auf ein Gewand aus pflanzengefärbter Wolle nähen, um die Darstellung authentischer zu machen.

Walburga:

Meine (Walburgas) Gewandung besteht aus einem Leinenunterkleid mit gesmokten Schmuckärmeln und einer Cotta aus krappgefärbter Wolle mit  bestickten Seidenbesätzen, dazu ein Seidenschleier mit Schapel über einem dünnen seidenen Kofptuch. Ähnliche Gewandformen und Stickereimuster finden sich vielfach im Evangeliar Heinrichs des Löwen, im St Lucia Psalter und im Passauer Evangelistar. Die Smokärmel sind meine Interpretation der “Rautenmuster” diverser Darstellungen (z. B. Kathedrale von Chartres) mit sichtbaren Untergewandärmeln. Smokstich war bekannt und ist an Textilfragmenten erhalten, ein erhaltenes Beispiel eines Ärmels gibt es aber nicht.

Franziska:

Unsere Tochter Franziska trägt ein Gewand aus Wolle mit Besätzen aus krappgefärbtem Wollstoff und Seidenstickerei, dazu einen Schleier aus dünner Wolle. Dieses Gewand ist einem Gewand auf einem Fresko vom Petersberg nachempfunden.

Vielen Dank für euer Interesse.

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